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Dienstag, 9. September 2025

WOELL-Consulting

Warum Solarthermie eine Schlüsseltechnologie für kommunale Nahwärme und industrielle Prozesswärme ist

1. Einleitung

Die Solarthermie nutzt die direkte Umwandlung von Sonnenstrahlung in Wärme – eine ausgereifte, emissionsfreie Technologie. Sie eignet sich hervorragend sowohl für die Nahwärmeversorgung in Kommunen oder Quartieren als auch für die industrielle Prozesswärme. In Zeiten steigender Energiepreise, CO₂-Bepreisung und Klimaschutzzielen gewinnt Solarthermie enorm an Bedeutung.
An dieser Stelle sei an das Buch von Franz Alt erinnert: „Die Sonne schickt uns keine Rechnung“

2. Kommunale Nahwärme und Quartierlösungen

2.1 Größere Anlagen senken Wärmegestehungskosten

Während über 90 % der Solarthermieanlagen auf Einfamilienhäusern installiert sind, bieten großflächige Anlagen [insbesondere im Zusammenspiel mit Nahwärmenetzen und großvolumigen Wärmespeichern] erheblich höhere Deckungsanteile und niedrigere Kosten.

2.2 Praxis-Beispiel – Bioenergiedorf Büsingen

Die Gemeinde Büsingen (Baden-Württemberg) betreibt eine über 1 000 m² große Solaranlage, gekoppelt an ein Hackschnitzelheizwerk (Leistung: 1,40 MW). Die Solarthermie spart jährlich rund 450.000 Liter Heizöl und 1.200 t CO₂ ein. Zwei 50.000-Liter-Warmwasserspeicher unterstützen die Versorgung – im Sommer entlastet die Solaranlage das Holzkraftwerk.

2.3 Entwicklungsstand und Perspektiven in Deutschland

  • Bis Ende 2022 existierten in Deutschland 262 Solarfernwärme-Anlagen (> 350 kWth), mit insgesamt 1,41 GWth Leistung (entspricht 2,01 Millionen m² Kollektorfläche).

  • 2022 wurden allein 33.879 m² neue Kollektorfläche eingebunden – ein Plus von 30 % gegenüber 2021. Die installierbare thermische Leistung für Fernwärme liegt bei über 102 MW

  • Stand Anfang 2024: 55 Solarfernwärme-Anlagen mit zusammen 112 MW in Betrieb; weitere 9 Anlagen (79 MW) in Realisierung und 70 Anlagen (277 MW) in Vorbereitung

2.4 Politischer Rückenwind – Förderprogramme & Planung

Durch das „Gesetz zur lokalen Wärmeplanung“ (ab 2024) sind Kommunen verpflichtet, bis 2026/28 entsprechende Wärmepläne zu erstellen; zudem müssen neue Wärmeversorgungsnetze ab sofort ≥ 65 % erneuerbare Wärme enthalten, bis 2030 soll die Hälfte des Fernwärmebedarfs klimaneutral erzeugt werden.
Die Förderinitiative BEW („Bundesförderung für effiziente Wärmenetze“) stellt bis 2026 rund
4 Mrd. € bereit – 677 Mio. € Förderung wurden bereits bewilligt. Zuschüsse von bis zu 40 % der Investitionskosten entlasten die Wirtschaftlichkeit deutlich.

2.5 Wettbewerbsvorteile für Kommunen

  • Niedrige Wärmegestehungskosten: Großanlagen liefern Wärme für 3–5 ct/kWh – deutlich günstiger als viele fossile Alternativen.

  • Sommerbetrieb entlastet Kessel: In warmen Monaten entfallen Teillastzustände, der Betrieb wird effizienter und Wartung einfacher planbar.

  • Langfristige Preissicherheit: Betriebskosten sinken, Substanzkosten berechenbar – Sicherheit für Kommunen und Betreiber.

3. Prozesswärme in der Industrie

3.1 Wirtschaftlichkeit und Rentabilität

Eine aktuelle Studie des Fraunhofer ISE zeigt, dass künftige Solar-SHIP-Anlagen (Prozesswärme) in Deutschland bis zu 50 % günstiger als erdgasbasierte Systeme sind. Die Levelized Cost of Heat (LCOH) liegen bei 3–7 ct/kWh, verglichen mit etwa 13,6 ct/kWh für Gas unter Einberechnung von Steuern, Netzentgelten und CO₂-Kosten.

Die Amortisationszeiten betragen zwischen 3,4 und 7 Jahren, je nach Standort, Solarfraction und Kollektortyp (Flach-, Vakuum-, Parabolrinnen). Bei Einsatz parabolischer Rinnen (120 °C, Süddeutschland) erreicht die Anlage bei 14 % Solarfraction bereits 3,4 Jahre Amortisation.

3.2 Langfristige Einsparungen

Ein Beispiel: Mit 50 % solarer Abdeckung bei 120 °C Prozesswärme ergibt sich bei einem 11-MW-System über 20 Jahre eine I nvestitionssumme von 12,6 Mio. €, aber Einsparungen von 25 Mio. € – das entspricht einem internen Zinsfuß (IRR) von 196 %. Bei nur 21 % Abdeckung belaufen sich Investitionen auf 3,8 Mio. €, Einsparungen auf 12 Mio. €, was einen IRR von 310 % ergibt.

3.3 Technisches Potenzial

Laut Analyse liegt das theoretische Potenzial für Solarprozesswärme unter 300 °C in Deutschland bei 134 TWh jährlich, das technische Potenzial bei etwa 16 TWh/a, was rund 3,4 % des industriellen Wärmebedarfs entspricht – der höchste Anteil in Europa.

3.4 Aktueller Stand

2022 gab es in Deutschland rund 450 Solarthermal-Prozesswärmeanlagen – ein Nischenmarkt, aber mit Potenzial. Nur 5 neue Anlagen kamen 2022 hinzu. Der größte geplante Standort ist ein 2 145 m²-System zur Gasdruckregelung (EUGAL-Pipeline).

4. Vergleichende Vorteile – Fazit

Anwendungsfall

Projektbeispiel / Datenpunkte

Vorteile der Solarthermie

Kommunale Nahwärme

Büsingen – Solaranlage
+ Biomasse

450 000 L Heizöl, 1 200 t CO₂
eingespart – unabhängige
 Versorgung 

Großanlagen

Deutschland:
 1,41 GWth,
102 MW installiert

3–5 ct/kWh Kosten –
wirtschaftlicher
als viele fossile Optionen

Förderung & Planung

BEW: 4 Mrd. €;
65 % EE-Ziel für
neue Netze ab 2024

Finanzielle Unterstützung,
gesetzliche CO₂-Reduktion,
Planungspflichten

Industrielle Prozesswärme

Fraunhofer ISE: 3–7 ct/kWh,
Payback 3,4–7 a

Deutlich günstiger,
attraktive Investitions-
und Amortisationszahlen

Marktentwicklung

450 Anlagen, großes Potenzial
(16 TWh/a technisch)

Substanzielles Einsparpotenzial
bei modernem Einsatz


5. Schlusswort

Solarthermie liefert sowohl für kommunale Wärmenetze als auch für industrielle Anwendungen überzeugende Argumente:

  • Kosteneffektivität: Niedrige Betriebskosten – bereits heute wettbewerbsfähig gegenüber fossilen Alternativen.

  • Wirtschaftlichkeit: Kurze Amortisationszeiten – für Gemeinden und Industrie finanziell attraktiv.

  • Klimavorteil: Reduktion von CO₂-Emissionen und Sicherung lokaler Wärmeversorgung.

  • Zukunftspotenzial: Skalierbar – technisch und politisch unterstützt – attraktive Perspektiven für Wende im Wärmesektor.

Angesichts der ambitionierten Klimaziele und der notwendigen Wärmewende sind Solarthermie-Lösungen ein Eckpfeiler der nachhaltigen Versorgung. Sie kombinieren Technik, Ökonomie und Ökologie – und bieten gerade Kommunen und Industrie klare Optionen zur Transformation.


Quellen:

https://www.sonnenseite.com/de/franz-alt/kommentare-interviews/die-sonne-schickt-uns-keine-rechnung/

https://www.waermewende.de/waermewende/kommunale-waermewende/technologien/

https://www.aee-intec.at/solarthermiestatistiken/

https://gsr.dididigital.de/modules/energy_supply/02_market_and_industry_trends/08_solarthermal/

https://solarthermalworld.org/news/district-heating-has-never-had-such-a-high-significance-in-germany/

https://de.wikipedia.org/wiki/Solare_Fernw%C3%A4rme

https://www.solarwirtschaft.de/en/topics-of-interest/solar-thermal/

https://solarthermalworld.org/news/germany-solar-process-heat-50-to-80-cheaper-than-gas-based-alternatives/

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1364032112003073


Beachte:
Die genannten Zahlen sind Annäherungswerte und sollen eine Tendenz bzw. Richtung aufzeigen und sind keine verbindlichen Werte. 

Donnerstag, 4. September 2025

Einseitig elektrisiert:

Warum Deutschland in der Energie- und Wärmewende den Blick weiten muss

Die Energiewende ist das größte Infrastrukturprojekt seit dem Wiederaufbau. Deutschland will klimaneutral werden, und das möglichst schnell. Politisch wie gesellschaftlich herrscht dabei ein fast elektrisierter Fokus: Alles dreht sich um Strom. Photovoltaik, Windkraft, Wärmepumpen – das sind die Heilsbringer, die in jedem politischen Statement, in jeder Fördermaßnahme und auf jedem Konferenzpodium im Scheinwerferlicht stehen. Strom gilt als universelle Währung der Energiewende.

Doch so richtig diese Technologien sind, so gefährlich ist es, sie allein in den Mittelpunkt zu stellen. Die Wärmewende, die Mobilität und die Industrieprozesse zeigen: Deutschland braucht mehr als nur Elektronen. Wir brauchen Moleküle, wir brauchen Vielfalt, und wir brauchen eine strategische Ausrichtung, die alle Technologien der erneuerbaren Energien ernsthaft einbindet.

Warum Strom allein nicht reicht

Heute beträgt der Stromverbrauch in Deutschland rund 500 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Mit Elektrifizierung – also Wärmepumpen, E-Mobilität und Wasserstoffproduktion – könnte er sich bis 2045 nahezu verdoppeln. Klingt machbar, wenn man einfach mehr Solarpanels und Windräder aufstellt. Doch die Realität bremst: Genehmigungsverfahren ziehen sich, Stromnetze stoßen an Kapazitätsgrenzen, Akzeptanz in der Bevölkerung ist oft begrenzt.

Und dann ist da die Wärme: Rund 50 % des gesamten Endenergieverbrauchs entfällt auf die Bereitstellung von Wärme – für Gebäude, Industrie, Warmwasser. Wärme ist träger als Strom, benötigt Speicher, lokale Lösungen und vor allem Diversität. Eine alleinige Fokussierung auf Wärmepumpen ignoriert, dass nicht jedes Altbauviertel, nicht jede Industriehalle und nicht jedes Dorf durch einen simplen Wärmepumpenanschluss glücklich wird.

Die Kraft der Vielfalt

Deutschland hat mehr im Köcher als nur Wind, Sonne und Wärmepumpen. Biogas, Solarthermie, Geothermie, Power-to-X, synthetische Kraftstoffe, Nah- und Fernwärmenetze, Abwärmenutzung, saisonale Wärmespeicher – all das sind Technologien, die schon heute erprobt sind und lokal enorme Potenziale haben.

  • Biogas: Kann flexibel Strom und Wärme liefern, insbesondere im Winter, wenn der PV-Ertrag abnimmt.

  • Solarthermie: Liefert Wärme direkt, mit bis zu 70 % Wirkungsgrad – eine elegante Ergänzung zur Strom-PV.

  • Geothermie: Bietet grundlastfähige, wetterunabhängige Wärme, gerade für Städte.

  • Abwärmenutzung: In der Industrie liegen gigantische Energiemengen ungenutzt in der Luft.

  • Power-to-X: Macht aus überschüssigem Strom synthetische Kraftstoffe oder Gase, die speicherbar sind.

  • Und noch mehr

Eine moderne Energiepolitik müsste diesen Werkzeugkasten orchestrieren, statt nur zwei, drei Instrumente hochzuhalten. Denn wie in einem Orchester klingt auch die Energiewende nur dann harmonisch, wenn alle Stimmen zusammenspielen.

Was passiert, wenn wir den Blick verengen?

Wer nur auf Strom setzt, läuft in mehrere Sackgassen:

  1. Netzüberlastung – Wärmepumpen und E-Autos, die alle abends um 18 Uhr Strom ziehen, überfordern lokale Netze.

  2. Saisonale Lücke – PV liefert im Winter weniger, Wärmepumpen haben aber gerade dann den größten Bedarf.

  3. Industrieabwanderung – Prozesse wie Stahl- oder Chemieproduktion brauchen  Hochtemperaturwärme, H2 und weitere Quellen. Ein „Alles-elektrisch“-Dogma ist hier schlicht unrealistisch.

  4. Kostenfalle – Überinvestitionen in Netze, Speicher und Subventionen treiben Strompreise weiter hoch – mit Folgen für Wettbewerbsfähigkeit und soziale Akzeptanz.

Kleiner humorvoller Zwischenton: Frau Ministerin und die Experten

Hier kommt ein kleiner Schwenk: Unsere aktuelle Wirtschaftsministerin (ja, genau die mit den großen Visionen und noch größeren Reden) wirkt manchmal so, als würde sie ein Kochbuch für die Energiewende in den Händen halten, aber die Hälfte der Rezepte konsequent ignorieren. Stattdessen kocht sie immer nur Nudeln mit Ketchup – und wundert sich, warum niemand satt wird.

Man möchte fast vorschlagen: Schicken Sie die Ministerin einmal drei Wochen auf „Bootcamps“ zu echten Energie- und Wärmemeistern – zu Stadtwerken, Bioenergiehöfen, Geothermie- Nahwärmeprojekten. Dort, wo keine Hochglanzfolien, oder befreundete Vertreter der hofierten EVs, sondern handfeste Leitungen, Solarthermiefelder, BHKWs und Speicher die Arbeit machen. Ein bisschen Demut gegenüber der Praxis täte der Theorie im Ministerium gut. Zudem wäre ein neutraler Blick zur positiven Wirkung der Anwendung der Erneuerbaren angebracht.
Eine Studie anfertigen zu lassen die im Idealfall genau das bestätigt, was man persönlich gerne sehen möchte, so der Eindruck, hilft hier wenig weiter und wird mal wieder auf dem Rücken der Bürgerinnen & Bürger ausgetragen – frei nach „Wer zahlt bestimmt die Musik“
Sprich, der Steuerzahler darf dann die Fehler der Fehlorientierung einer Ministerin bezahlen, die eventuell zu sehr um ihr persönliches Wohl bemüht zu sein scheint.
Ja, schon klar, machen wir doch schon immer – schließlich tragen wir noch die massiven Kosten eines fehlgeleiteten J.Spahn, eines A. Scheuer etc. etc.  aber zurück zum Thema.
Es gilt die Erneuerbaren (Wärme und Strom), mit allen uns bereits zur Verfügung stehenden Technologien, weiter auszubauen und das vervollständigt um Speichertechnologien jeglicher Art, geschicktes Energiemanagment usw.. Eventuell sollte man mal die Fragen die soetwas zu Ende denken können.

Fazit: Die Wärmewende ist mehr als eine Steckdose

Die Klimaneutralität 2045 ist absolut erreichbar, wenn man denn willens ist – aber nur, wenn wir Technologieoffenheit aus dem Bereich der Erneuerbaren nicht als Floskel, sondern als Strategie verstehen. Deutschland muss seine ganze Ingenieurskunst nutzen, alle erneuerbaren Quellen kombinieren und regionale Lösungen fördern. Strom ist das Rückgrat, aber nicht die gesamte Anatomie. Wärme, Speichertechnologien, Energiemanagementsysteme, Netze etc. – sie alle sind Teil des Systems.

Denn eines ist sicher: Mit einem einseitigen Fokus auf Strom riskieren wir eine teure, instabile und unvollständige Energiewende. Mit einem breiten Ansatz hingegen schaffen wir Versorgungssicherheit, Akzeptanz und wirtschaftliche Chancen.

Oder, um es mit einem Augenzwinkern zu sagen:
Wer die Wärmewende nur über die Steckdose denkt, wird im Winter kalte Füße bekommen – und zwar ganz ohne Klimaschutz.